Nachhaltiges Grünflächenmanagement
1. Beitrag der Grünflächenbewirtschaftung zu Klimaschutz und Biodiversität
Das KIT ist eine Campusuniversität, bestehend aus verschiedenen, naturnah gelegenen Campusarealen in Karlsruhe und Umgebung mit einer Gesamtfläche von 283 Hektar. Der Begriff "Campus" (lat. für Feld) bezeichnet den zusammenhängenden Komplex aus Gebäuden und Freiflächen einer Universität oder Forschungseinrichtung. Dabei definieren sich die Freiflächen als Summe aller unbebauten, horizontalen Flächen, die nicht von Gebäuden bestanden sind, wie Straßen, Parkplätzen, Grünflächen, Wälder usw. Freiflächen kommen - gerade im städtischen Bereich - zahlreiche ökologische und soziologische Funktionen zu. Wasser, Boden, Klima, Licht-, Lärm-, Schadstoffimmissionen, Biodiversität, Aufenthaltsqualität, Bildung und Forschung werden durch die Freiflächen beeinflusst. Mit Hilfe einer naturnahen Gestaltung können natürliche ökologische Prozesse gezielt eingesetzt werden, um die standörtlichen Eigenschaften zu verbessern und somit einen Beitrag zum Umweltschutz, zur Klimafolgenanpassung und zur CO2-Reduzierung zu leisten. Dabei sind zentrale Verpflichtungen und Herausforderungen, die sich aus gesetzlichen Vorgaben oder aus Naturschutzbelangen heraus ergeben, zu berücksichtigen. Die Grünflächen des KIT tragen hierzu bei, Bäume z.B. entnehmen der Luft im Rahmen der Fotosynthese CO2 und geben im Gegenzug Sauerstoff und Wasser ab, das klimaschädliche CO2 wird im Baum gespeichert. Auch unversiegelte Böden sind je nach Beschaffenheit wichtige CO2-Speicher und somit Bestandteil der Mitigation. Durch den Aufbau des Humusgehalts im Boden wird der Atmosphäre aktiv CO2 entzogen und langfristig in den Böden gebunden. Humus kann größere Mengen an Kohlenstoff längerfristig im Boden speichern, damit wird der Atmosphäre in hohem Maße klimaschädliches Kohlendioxid entzogen. Dies begründet die Bemühungen in Form von Maßnahmen zur Gesunderhaltung bzw. Verbesserung der Bodenqualität auf den Grünflächen der KIT-Areale und stellt damit einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz dar. Für eine nachhaltige Wirkung sind die Maßnahmen auf die Gesunderhaltung des gesamten Ökosystems bzw. auf die Biosphäre der Standorte auszurichten.
2. Herausforderungen bei Erhalt und Förderung der Biosphäre
Über die zurückliegenden 30 Jahre ist im Rahmen der Pflege der Grünflächen und des Baumbestandes der Stadt und den städtischen Campusarealen des KIT festgestellt worden, dass sich der Gehölzbestand (Bäume und Sträucher, Neupflanzungen, Altbäume und Bestandspflanzen) auf den genannten Arealen des KIT seit mehreren Jahren in einer rapid zunehmenden Degradation befindet. Besonders frappierend sind einerseits die stark zunehmenden Baumschäden (u. a. spontan und zum Teil selektiv absterbenden Äste und Zweige) sowie die hohe Zahl an absterbenden Bäumen und Sträuchern (Neupflanzungen und Bestandspflanzen) und andererseits den zu beobachtenden Trockenstress der Bäume und der Böden, auch bei kurzzeitig (wenige Tage) zurückliegendem und ausreichendem Niederschlag und saisonal relativ gemäßigten / kühlen Temperaturen. Als eine wesentliche Ursache hierfür wird u. a. eine sinkende Bodenqualität gesehen. Humus-, Nährstoff- und Biomasse-Anteil, Mykorrhiza-Vielfalt, Speicherfähigkeit Wasser- und Nährstoffspeicherkapazität ist derzeit zum Großteil praktisch nicht mehr vorhanden, hierfür ist ein intakter Ton-Humus-Komplex erforderlich. Der Zustand des Bodens soll schnellstmöglich durch Anpassung der Grünpflegemaßnahmen und Maßnahmen zur Analyse der Böden verbessert werden.
3. Neuerungen im Grünflächenpflegemanagement am Beispiel CS
Im Rahmen einer bis dato einjährigen Testphase wurden an ausgewählten Grünflächen bestimmte Maßnahmen zur Verbesserung der Bodenqualität eine neue Systematik der Grünpflege erprobt. Hierbei stellte sich bereits nach einem Jahr eine deutlich erhöhte Biodiversität und das Wiederauftreten seltener, geschützter Arten ein. Diese wurden dann auf den Großteil der Grünflächen der städtischen Campusareale des KIT übertragen und dabei zur Baumpflege punktuelle Maßnahmen zur Analyse und Verbesserung des Bodens aufgenommen.
4. Bewusstseinsbildung für Naturschutzthemen und das Grüne CAMPUS Büro
Durch Umweltbildung und -aktionen soll ein verstärktes Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und den Ressourcen geschaffen werden. Es ist als Chance zu begreifen, dass am Beispiel und mit Hilfe der vorhandenen Freiflächen Umweltwissen vermittelt werden kann. Mit vielfältigen N-Themen und Aktionen wirbt das Grüne CAMPUS Büro am KIT für nachhaltiges, alltagsnahes Handeln und möchte für aktives Mitwirken begeistern. Mit Hilfe dieser Öffentlichkeits-Aktionen soll das Interesse der KIT-Beschäftigten und Studierenden an nachhaltigen Themen geweckt bzw. vertieft werden. Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche des Lebens betrifft. Für ihre Umsetzung ist die Initiative eines jeden einzelnen notwendig.
5. Begrünte Flächen und Böden
Offene Vegetationsflächen produzieren bei wolkenlosem Himmel Kaltluft, die über geeignete Leitbahnen in wärmebelastete Bereiche abfließen kann. Bei stark versiegelten Oberflächen (Gebäuden, Verkehrsflächen …) vermindert hohes Reflexionsvermögen (helle Farben) und gesteigertes Wärmeabstrahlvermögen (vergrößerte Oberfläche) den Aufheizeffekt. Die Strahlungsbilanz kann über die Wahl von Oberflächenmaterialien beeinflusst werden. Vegetation hat hier nachweislich eine moderierende Wirkung auf das lokale Klima und wirkt sich bei Hitzeperioden temperatursenkenden aus. Elementare Bedeutung kommt weiterhin dem Boden als Teil von Ökosystemen für Mensch und Umwelt zu, aufgrund seiner Eigenschaften, zum Beispiel Biotop-, Produktions-, Transformations-, Filter-, Puffer- und Archivfunktionen zu übernehmen. Die Verbesserung der Bodenqualität ist einer der wichtigsten Hebel zur Stärkung und Entwicklung der Biosphäre.
6. Biodiversität, Artenschutz, Naturschutz, Schutz für Insektenarten / Wildbienen & Co, Erfassung der Arten, Monitoring, Schaffung von Lebensräumen für Flora und Fauna
Handlungsgrundlage Biodiversität: Biodiversität umfasst gemäß der UN-Biodiversitäts-Konvention drei Bereiche, die Vielfalt aller lebenden Organismen, die Vielfalt aller Lebensräume sowie der Ökosysteme auf dem Land, im Wasser und in der Luft. Im urbanen Raum können die Heterogenität und der Strukturreichtum gute Voraussetzungen für die Entwicklung einer hohen biologischen Vielfalt schaffen. Biodiversität entsteht in der Stadt durch Mosaike unterschiedlicher Lebensräume auf engem Raum. Der Schutz der Artenvielfalt ist - nicht zuletzt durch internationale Beschlüsse wie die UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt - zu einer weltweiten, gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden. Nicht zuletzt sind naturnah gestaltete Flächen im Unterhalt oft kostengünstiger als konventionell gepflegte Anlagen. Seltenere Pflegemaßnahmen, geringerer Pestizideinsatz und Synergien mit anderen Funktionen, wie beispielsweise die temperaturmoderierende Wirkung von Dachbegrünungen, bedeuten auch finanzielle Vorteile, die sich langfristig aus biodiversitätssteigernden Maßnahmen ergeben.
Hinsichtlich der Biodiversität auf den Campusflächen des KIT, die weitestgehend als urbane Flächen zu sehen sind, besteht das Grundziel, einen möglichst großen Grünflächenanteil mit verschiedenen Standortfaktoren und Strukturen zu erhalten und zu schaffen. Dabei stellen auch Flachdächer - mit der Möglichkeit zur Dachbegrünung - und vertikale Flächen, wie Fassaden, potentielle Lebensräume für Pflanzen und Tiere dar.
7. Regenwassermanagement / Versickerungsflächen
Im Hinblick auf den Wasserkreislauf kommt den Grün-, Frei- und Dachflächen eine wichtige Bedeutung zu. Anzustrebende Funktionen sind die Retention von Niederschlagswasser, die Erhöhung der Grundwasserneubildung und die Entlastung der Kanalisation.
8. Fassadenbegrünung und Dachbegrünung
Begrünte Flachdächer führen zu einer Reduktion und Retardation des Regenwasserabflusses. Durch Dach- und Fassadenbegrünungen werden Gebäude im urbanen Raum naturisiert, tragen zur Isolierung von Gebäuden im Sommer gegen Hitze und im Winter gegen Wärmeverlust bei, Verbessern das Stadtklima, produzieren Sauerstoff, filtern verschmutzte Luft und absorbieren Strahlungen. Begrünungen an Gebäuden bieten Nahrung für nektarsaugende Insekten, Lebensraum für Vögel, Insekten und Pflanzen.
9. Klimafolgenanpassung
Dazu gehören Initiativen und Maßnahmen, um die Empfindlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme gegenüber tatsächlichen oder erwarteten Auswirkungen des Klimawandels zu verringern. Es können verschiedene Arten von Anpassungen unterschieden werden, darunter vorausschauende und reaktive, private und öffentliche, autonome und geplante Maßnahmen. Entsprechend groß ist die Notwendigkeit, die Resilienz und die moderierende Wirkung der Biosphäre gegenüber dem Klimawandel zu verbessern. Durch entsprechende Maßnahmen kann insbesondere bezüglich der Verfügbarkeit von Wasser, Wachstumsraum und Habitate mit relativ geringem Aufwand eine Trendwende eingeleitet werden.
10. Außenaufenthaltsqualität
Das Konzept zur Freiflächenentwicklung und -management strebt im Bereich der Aufenthaltsqualität vor allem folgende wichtige Aspekte an: Die Schaffung von Begegnungs-, Erholungs- und Lernräumen mit hohem Erlebnis- und ästhetischem Wert. Der Kontakt mit dem Stadtgrün als regelmäßige Naturerfahrung beeinflusst die persönliche Sichtweise und Wertschätzung von Natur und Umwelt erheblich. Vielfältig gestaltete, artenreiche Grünräume entsprechen einer Idealvorstellung der Bevölkerungsmehrheit und haben positive psychologische Wirkungen. Als Herausforderung wird die Vereinbarkeit von Nutzung und Naturschutz zu sehen sein.
11. Zentrale Handlungsverpflichtungen
Zentrale Verpflichtungen und/oder Herausforderungen ergeben sich durch
- Gesetzliche Vorgaben
- Ökokonto und Ökokonto-Verordnung BW
- Politischen Ziele und Möglichkeiten, die Nettoversiegelung (auch im urbanen Raum) auf null zu reduzieren
- Die räumliche Lage der Campusflächen in unmittelbarer Nachbarschaft von Wäldern, die als Natura2000-Schutzgebiete ausgewiesen sind
- Die räumliche Lage des Campus Süd zwischen Hardtwald als Frischluftquelle und der stark versiegelten Innenstadt als städtische Wärmeinsel
- Die Folgen des Klimawandels mit einer bereits deutlich spürbaren Temperaturzunahme in der ohnehin sehr warmen Region des Oberrheingrabens
- Das Vorkommen naturschutzrelevanter Arten
- Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung
- Öffentlichkeitsarbeit und Außendarstellung des KIT
- Selbstverpflichtung in der Umsetzung von Maßnahmen und Erreichung von umweltrelevanten Zielen